Zuletzt aktualisiert am 22. Januar 2024
Den Mindestlohn gibt es nun seid fast anderthalb Monaten und es gibt immer noch Spediteure, die den nicht zahlen wollen. Da werden Seminare besucht, in denen „gelehrt“ wird, wie man sich mit „Illegalen“ Mitteln davor drücken kann, dass man den Mindestlohn nicht bezahlen muss.
Warum illegal? Ganz einfach. Bereits 1992 hat der EuGH festgelegt, was bei uns Fahrern als Arbeitszeit gilt. Und zwar die Zeit von (damals noch Tachoscheibe) Fahrerkarte einlegen, bis Fahrerkarte wieder herausnehmen, bzw. den Tacho zur täglichen Ruhezeit auf Pause zu stellen. Es gilt sogar schon die Zeit als Arbeitszeit, die der Arbeitnehmer braucht, um zu seinem LKW zu kommen. Und zwar dann, wenn der LKW nicht beim Fahrer zu Hause oder sich im Betriebszentrum des Arbeitgebers befindet (siehe EuGH-Urteil vom 18. 1. 2001 – Rs. C-297/99).
Wie immer bei allen gesetzlichen Änderungen oder Neuerscheinungen dauert es nicht lange, bis sich die Arbeitgeber was haben einfallen lassen, um diese gesetzlichen Regelungen zu umgehen. Da wird auf einmal das Stehen im Stau, warten bei technischen Kontrollen oder auch das Warten auf Be- oder Entladung nicht mehr zu regulären Arbeitszeit gezählt. Auch Pausen werden dann (logischerweise) nicht mehr bezahlt. Und was macht der findige Arbeitgeber? Auch wenn man es nie nachweisen kann, so kennt jeder Fahrer die mündliche Anweisung des Disponenten oder Chefs: „Hömma, beim Abladen stellst aber auf Pause. Die Fahrzeit brauchst noch!„
Inhaltsverzeichnis
Kann ich als Fahrer denn was dagegen machen?
Ja klar! Als allererstes muss man wissen, was der Arbeitgeber machen muss, damit er überhaupt zu seinen auf den Seminaren gelernten Abzockermethoden kommt, damit diese bei euch auch anwendbar sind.
Euer Chef muss euch eine sog. Änderungskündigung aushändigen. Dadurch verliert Ihr nicht euren Arbeitsplatz, sondern der alte Arbeitsvertrag wird durch diese Art der Kündigung ungültig.
Wer diese Änderungskündigung unterschreibt, hat schon verloren! Auch wenn euer Chef dann behaupten würde, er könne euch nicht weiter beschäftigen, UNTERSCHREIBT NICHTS! Auch wenn das bedeutet, dass Ihr dort euren Job verliert! Doch für noch weniger zu arbeiten, ist es diese Firma nicht wert, euch als Arbeitnehmer zu behalten.
Ich habe doch etwas unterschrieben und jetzt?
Ich predige schon seit Jahren: „Leute, dokumentiert eure Tätigkeiten! Es kommt der Tag, an dem Ihr das braucht.“ Und gerade jetzt beim Thema Mindestlohn ist der Tag gekommen, an dem man diese Dokumentationen braucht. Klar, diejenigen unter uns Fahrern und Fahrerinnen, die eh schon mehr verdienen als diese 8,50 € (mittlerweile 12,41 €) die sollen ruhig weiter dokumentieren.
Doch warum ist die Dokumentation so wichtig?
Das ist leicht zu erklären.
Wenn ich was einklagen will, muss ich auch beweisen, dass ich einen Anspruch darauf habe. Das zählt nicht nur beim Mindestlohn, sondern auch generell, wenn ich beispielsweise gegen die Überstundenpauschalregelung im Arbeitsvertrag vorgehen will.
Eine komplette Dokumentation umfasst neben dem Aufschreiben der Arbeitszeiten inkl. Tätigkeiten auch (zwar nicht unbedingt) die Daten der Fahrerkarte / Tachoscheibe. Software zum Auslesen gibt es zur Genüge. Ich verwende z.b. die Software von GloboFleet.
Nun weiter im Text. Zunächst gehe ich mit meinem gesammelten Werken (Dokumentation, Lohnabrechnung und eventuell auch die Daten der Fahrerkarte) zum Zoll. Dort suche ich mir denjenigen, der für den Mindestlohn zuständig ist. Der oder die Person erklärt mir dann alles Weitere.
Ich kann auch bei dem für meine Region zuständigen Arbeitsgericht eine Feststellungsklage einreichen. Aber auch hier brauche ich meine gesammelten Werke. Was ich nicht brauche, ist einen Anwalt und eine Rechtsschutzversicherung. Denn es handelt sich hierbei nur um ein Feststellungsverfahren und dafür braucht es den Anwalt nicht.
Und dann lässt man den Dingen seinen Lauf.
Ich möchte mal darauf hinweisen, dass es sein kann, dass Ihr durch ein solches Feststellungsverfahren bzw. durch den Gang zum Zoll euren Job verliert.
Doch ich kann jedem nur raten: Macht von euren Rechten gebrauch. Ihr seid keine Sklaven! Ihr hab Rechte. Und die bekommt man nicht, in dem man darauf wartet das der Arbeitgeber euch diese freiwillig gewährt.
Sicherlich, Recht haben und Recht bekommen sind zweierlei. Aber wie sagte doch Bertolt Brecht: Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat bereits verloren!
Soll heißen: Man kann nur dann wissen, ob man auch Recht bekommt, wenn man es versucht.
In diesem Sinne: Macht von euren Rechten Gebrauch. Lasst euch nicht alles gefallen. Schon gar nicht, wenn es hier um euer Geld geht!
Ein paar letzte Worte
Ich weiß auch, dass es viele gibt, die immer wieder sagen / fragen: Ja, was sollen wir denn machen? Ich denke, was man machen soll, steht nicht nur hier in diesem Artikel.
Mit dem, was ich hier schreibe, kann ich euch nur eine Tür öffnen. Durch gehen müsst Ihr alleine. Die Hände in den Schoß legen und auf ein Wunder warten, hat noch nie geholfen. Wunder gibt es nicht! Auch wenn es da merkwürdige Organisationen gibt, die etwas anderes behaupten.
Bildquellen
- Arbeitsvertrag_OST: Johann Theodor