Neue Auflagen für Anhänger und Auflieger im Güterkraftverkehr

Erstellt am: 18/09/2025 - Lesezeit: 4 Minuten

Scania mit Kofferauflieger auf der Straße KI generiertes Bild

EU-Verordnung zur CO2-Reduktion bei LKW-Anhängern – Chancen und Risiken für die Transportbranche

Seit dem 1. Juli 2024 gilt eine neue, verbindliche EU-Verordnung zur Senkung der CO₂-Emissionen bei schweren Nutzfahrzeugen – erstmals mit klaren Vorgaben auch für LKW-Anhänger und Auflieger. Die Verordnung (EU) 2024/1610 verpflichtet Hersteller von Sattelanhängern, deren CO₂-Emissionen rechnerisch um mindestens 10 % zu reduzieren. Für andere Anhänger beträgt die Vorgabe 7,5 %.

Diese Regelung ist Teil der EU-Strategie zur Bekämpfung des Klimawandels im Verkehrssektor und umfasst rollierende Reduktionsziele bis 2030, 2035 und 2040. Die Ermittlung der CO₂-Einsparungen erfolgt über das Simulationstool VECTO-Trailer, mit dem verschiedene technische Maßnahmen an Anhängern auf ihre Wirkung im Fahrbetrieb simuliert werden. Ab 2030 drohen Herstellern erhebliche Bußgelder bei Nichterreichen der Ziele – bis zu 4.250 Euro pro Fahrzeug und Gramm CO₂ pro Tonne-Kilometer.

Die EU-Verordnung (EU) 2024/1610 im Fokus

Die Verordnung ist die erste ihrer Art, die Anhänger und Auflieger in die CO₂-Regulierungen für Nutzfahrzeuge einbezieht. Da sowohl Auflieger, als auch Anhänger selbst keine Motoren oder Auspuffe haben, erfolgt die Berechnung der Emissionen indirekt über deren Einfluss auf den Gesamtverbrauch des Zugfahrzeugs.

  • Verbindliche CO₂-Reduktionsziele: 10 % bei Sattelanhängern, 7,5 % bei sonstigen Anhängern ab 2024
  • Sanktionen ab 2030 bei Zielverfehlung mit hohen Strafzahlungen
  • Grundlage der Berechnung: EU-weites Simulationstool VECTO-Trailer

Die Verordnung wurde am 14. Mai 2024 im Amtsblatt der EU veröffentlicht und trat am 26. Juni 2024 in Kraft, mit Geltung ab 1. Juli 2024. Einem Amtsblatt-Eintrag zufolge umfasst die Verordnung neben Anhängern auch den Bereich der Stadtbusse, die ebenfalls strengere CO₂-Ziele erfüllen müssen.

Auswirkungen auf die Transportbranche

Die Einführung strenger CO₂-Grenzwerte für Anhänger und Auflieger folgt dem Ziel, die CO₂-Emissionen des Güterverkehrs deutlich zu reduzieren und nachhaltigere Transportlösungen zu fördern. Gleichzeitig birgt die Verordnung weitreichende Konsequenzen:

  • Preiserhöhungen bei Anhängern: Drohende Strafzahlungen können Anhängerpreise um bis zu 40 % erhöhen, was Investitionen erschwert und die Marktsituation für viele mittelständische Hersteller verschärft.
  • Technische Herausforderungen: Um den Vorgaben gerecht zu werden, müssen Anhänger leichter und aerodynamischer gebaut werden. Dies kann zu reduziertem Ladevolumen führen, da Leichtbau oft mit geringerer Stabilität oder veränderten Dimensionen einhergeht.
  • Wirtschaftliche Risiken: Hersteller und Zulieferer warnen vor massiven Kostensteigerungen, die europäische Produktion könnte Wettbewerbsfähigkeit verlieren, womöglich drohen Werksschließungen vor allem für mittelständische Betriebe.
  • Arbeitsplatzgefährdung: Die Branche sieht bis zu 70.000 Arbeitsplätze in Gefahr – dies betrifft nicht nur Produktion, sondern auch Zulieferer und Dienstleister in der Transportkette.
  • Transporteffizienz: Kritiker befürchten, dass durch geringeres Ladevolumen und mehr Leerfahrten mehr LKW auf der Straße fahren müssten – was dem Klimaziel konträr entgegenwirkt.

Simulation vs. Realität: Kritik am VECTO-Trailer Tool

Der größte Kritikpunkt ist die Methodik der CO₂-Berechnung mit dem Tool VECTO-Trailer (Vehicle Energy Consumption Calculation Tool). Dieses Tool simuliert den Energieverbrauch von Sattelzugkombinationen inklusive Anhänger anhand technischer Parameter wie Gewicht, Aerodynamik und Rollwiderstand.

Hersteller bemängeln:

  • Die Simulation erfasst keine praktischen Transportbedingungen und Logistikrestriktionen, wie etwa reduzierte Ladevolumina durch Leichtbau oder veränderte Anhängerhöhen.
  • Theoretische Einsparungen könnten in der Realität durch mehr Leerfahrten und zusätzliche Touren wettgemacht werden, wodurch der Gesamtausstoß steigt.
  • Es fehlt eine ganzheitliche Betrachtung der Transportkette und der realen Wirtschaftlichkeit im Flottenbetrieb.
  • Unternehmen bezeichnen die Verordnung deshalb als praxisfern und ökonomisch unverhältnismäßig.

Zahlen und Fakten zur Branche

  • Laut Daten aus Österreich wurden im Referenzzeitraum rund 4.500-5.000 Anhänger und Auflieger pro Jahr neu zugelassen.
  • Der Gesamtmarkt schwerer Nutzfahrzeuge weist jährlich zehntausende Neuzulassungen auf, wobei der Anteil emissionsfreier oder elektrifizierter Fahrzeuge derzeit noch im einstelligen Prozentbereich liegt.
  • Prognosen gehen davon aus, dass die CO₂-Reduktionsziele 2030 und darüber hinaus eine tiefgreifende Transformation der gesamten Nutzfahrzeugflotte erfordern, inklusive alternativer Antriebe und optimierter Logistik.

Rechtliche Schritte der Industrie

Acht führende mittelständische Hersteller von LKW-Anhängern haben gegen zentrale Artikel der EU-Verordnung 2024/1610 Klage beim Europäischen Gerichtshof eingereicht. Die Klage argumentiert, dass die Verordnung:

  • weder die wirtschaftliche Betroffenheit angemessen berücksichtigt,
  • noch praktikable und realistische Lösungsansätze für den CCO₂-Ausstoß aus Anhängern enthält,
  • und langfristig Arbeitsplatzverluste und Standortverlagerungen ins Ausland fördern werde.

Das Gericht lehnt bislang eine vorläufige Aufhebung ab mit der Begründung, es fehle an individueller Betroffenheit.

Fazit

Die EU-Verordnung (EU) 2024/1610 setzt einen wichtigen Impuls zur Dekarbonisierung des Schwerlastverkehrs und nimmt mit den Anhängern erstmals einen Bereich in den Fokus, der bisher kaum reguliert war. Die ambitionierten CO₂-Ziele sollen helfen, die Klimaziele der EU im Verkehrssektor zu erreichen.

Dennoch steht die praktische Umsetzbarkeit und die Methodik der Verordnung massiv in der Kritik. Hersteller warnen vor negativen Folgen für Industrie, Beschäftigung und Transporteffizienz. Es bleibt abzuwarten, wie Politik, Industrie und Justiz künftig mit diesen Herausforderungen umgehen und ob die Verordnung überarbeitet oder angepasst wird.


Quellen und weiterführende Informationen:


Profilbild

Christian Rumpf

Ich bin aktiver Berufskraftfahrer in zweiter Generation mit langjähriger Erfahrung im Transportsektor. Auf diesem Blog teile ich meine persönliche Meinung und Erfahrungen.

 

Du hast Fragen, Anregungen oder Kritik? Schreib mir eine E-Mail: ue.golbsnaitsirhc@ofni