Europas digitale Abhängigkeit von US‑BigTech – warum sie unserer Wirtschaft schadet

Erstellt am: 15/12/2025 - Lesezeit: 3 Minuten

Europa – und insbesondere Deutschland – hat sich in den letzten Jahren in eine digitale Abhängigkeit begeben, die zunehmend zum wirtschaftlichen und politischen Risiko wird. Zentrale Teile unserer Wirtschaft, Verwaltung und kritischen Infrastruktur basieren heute auf Technologien weniger US‑amerikanischer BigTech‑Konzerne.

Das Problem dabei ist nicht Technologie an sich. Das Problem ist Macht, Kontrolle und strategische Abhängigkeit.

Gerade vor dem Hintergrund der politischen Entwicklung in den USA – mit einer Trump‑Administration, die Europa offen skeptisch gegenübersteht und außenpolitisch zunehmend nationale Interessen verfolgt – wird klar: Diese Abhängigkeit ist keine theoretische Debatte mehr. Sie ist eine reale Schwachstelle für Europas wirtschaftliche und politische Handlungsfähigkeit.


Digitale Abhängigkeit ist ein Standortnachteil

Cloud‑Infrastrukturen, Office‑Software, Betriebssysteme, KI‑Modelle, Plattformen, Kommunikations‑ und Werbenetzwerke bilden heute das Rückgrat moderner Volkswirtschaften. Ein Großteil dieser Grundlagen liegt außerhalb Europas – und damit außerhalb unseres rechtlichen und politischen Einflusses.

Wer die Plattform kontrolliert, bestimmt:

  • Preise und Geschäftsbedingungen

  • technische Standards

  • Zugänge zu Märkten und Daten

Für europäische Unternehmen bedeutet das dauerhafte Lock‑in‑Effekte. Ein Ausstieg ist oft technisch möglich, wirtschaftlich jedoch mit hohen Risiken verbunden. Das schwächt Innovationskraft, Wettbewerbsfähigkeit und Planungssicherheit – insbesondere für den Mittelstand.

Abfluss von Wertschöpfung und Know‑how

Jährlich fließen Milliardenbeträge aus Europa an US‑BigTech‑Unternehmen – für Cloud‑Dienste, Lizenzen, App‑Stores, Werbung und KI‑Services.

Dieses Kapital fehlt in Europa:

  • für den Aufbau eigener digitaler Infrastrukturen

  • für Start‑ups und Scale‑ups

  • für Forschung und Entwicklung

Gleichzeitig verlagert sich Know‑how immer stärker zu den Plattformbetreibern. Europa bezahlt damit nicht nur für Software, sondern verliert schrittweise Kontrolle über zentrale Innovationsprozesse.

Politische Risiken durch US‑Recht und Geopolitik

US‑amerikanische Technologieunternehmen unterliegen US‑Gesetzen. Der CLOUD Act macht deutlich, dass Datenzugriffe und Kooperationen im Zweifel politischen und sicherheitspolitischen Interessen untergeordnet werden können.

In einem geopolitisch angespannten Umfeld bedeutet das:

  • eingeschränkte Datensouveränität

  • Abhängigkeit von politischen Entscheidungen außerhalb Europas

  • potenzielle Instrumentalisierung digitaler Infrastruktur

Eine Volkswirtschaft, die ihre digitalen Schlüsselressourcen nicht selbst kontrolliert, ist in Krisenzeiten verwundbar.

Deutschlands ungenutztes Open‑Source‑Potenzial

Besonders widersprüchlich ist die Situation in Deutschland.

Deutschland verfügt über eine der größten und leistungsfähigsten Open‑Source‑Communities Europas: hochqualifizierte Entwickler:innen, starke Forschungslandschaften und bewährte Projekte in Industrie, Verwaltung und Infrastruktur.

Open Source steht für:

  • Transparenz und Nachvollziehbarkeit

  • Sicherheit durch Offenheit

  • technologische Unabhängigkeit

  • nachhaltige Innovationsmodelle

Trotzdem wird dieses Potenzial nur unzureichend genutzt. Statt konsequent auf offene Standards und europäische Lösungen zu setzen, dominieren weiterhin proprietäre US‑Systeme – häufig aus kurzfristigem Kostendenken oder aus organisatorischer Bequemlichkeit.

Das ist kein Mangel an Kompetenz. Es ist ein Mangel an strategischer Weitsicht.

Beispiele, die zeigen: Es geht auch anders

Andere europäische Länder beweisen, dass Open Source im großen Maßstab funktioniert:

Dänemark setzt seit Jahren systematisch auf Open‑Source‑Software in der öffentlichen Verwaltung. Ziel ist Unabhängigkeit von einzelnen Anbietern, langfristige Kostenkontrolle und strategische Resilienz.

Schleswig‑Holstein stellt seine Landesverwaltung schrittweise auf Open‑Source‑Lösungen um – inklusive Office‑Software und Kollaborationsplattformen. Digitale Souveränität wird dort als staatliche Kernaufgabe verstanden.

Frankreich nutzt Open Source konsequent in Ministerien und Behörden und fördert aktiv offene Entwicklungsmodelle sowie staatliche Open‑Source‑Projekte.

Diese Beispiele zeigen: Open Source ist keine Ideologie, sondern ein wirtschaftlich und organisatorisch tragfähiger Ansatz.

Fazit

Die Abhängigkeit von US‑BigTech ist kein reines IT‑Thema. Sie ist ein wirtschaftliches, politisches und strategisches Risiko.

Gerade Deutschland hätte mit seiner starken Open‑Source‑Community die Chance, digitale Souveränität aktiv mitzugestalten – für sich selbst und für Europa. Nicht als Abschottung, sondern als Voraussetzung für Zusammenarbeit auf Augenhöhe.

Digitale Unabhängigkeit ist kein Anti‑USA‑Projekt. Sie ist eine Investition in wirtschaftliche Resilienz, politische Handlungsfähigkeit und langfristige Wettbewerbsfähigkeit.

Die entscheidende Frage lautet nicht, ob Alternativen existieren. Sondern warum wir sie trotz besseren Wissens noch immer zu selten nutzen.


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Christian Rumpf

Ich bin aktiver Berufskraftfahrer in zweiter Generation mit langjähriger Erfahrung im Transportsektor. Auf diesem Blog teile ich meine persönliche Meinung und Erfahrungen.

 

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